Hallo! Ich bin Dennis Friedl und meine Geschichte mit dem ViFE begann vor einigen Jahren, als ich während meines Bachelorstudiums im Jahr 2017 die glückliche Entscheidung traf, an einer Spring School Digitale Geschichtswissenschaft teilzunehmen, die u.a. von Peter Stadler organisiert wurde. Rückblickend sollte sich diese Spring School als geradezu lebensverändernd herausstellen, denn durch sie kam ich erstmalig mit den aufregenden Möglichkeiten der Digital Humanities in Kontakt, insbesondere mit der digitalen Quelleneditorik und der TEI. Die neue Vorliebe war nicht mehr aufzuhalten und so wurde meine weitere Laufbahn in eine ganz andere Richtung gelenkt, als ursprünglich geplant. Es folgten mehrere Besuche der Edirom Summer School, die mich unaufhaltsam weiter in die Welt von TEI, MEI, ODD, XPath, XSLT und XQuery zogen und mich mit den Technologien und Methoden der digitalen (Musik-)Edition vertraut machten.
Just zum Abschluss meines Bachelorstudiums wurde an der Universität Paderborn dann der neue Masterstudiengang Digital Humanities eingeführt, was ich nur als überirdischen Wink mit dem Zaunpfahl verstehen konnte und mich endgültig dazu brachte, mich dem Neuentdeckten zu verpflichten. Während des Studiums konnte ich besonders von einer sehr intensiven Python-Vorlesung profitieren, die von Daniel Röwenstrunk mit einem speziell auf Geisteswissenschaftler:innen ausgelegten Seminar ergänzt wurde. Da vier Semester Masterstudium zu knapp bemessen sind, um sich unter der Vielzahl an Technologien der Digital Humanities ein möglichst breites Repertoire anzulegen, begleitete ich das Studium durch autodidaktische Einstiege in Webtechnologien wie JavaScript und weitere Besuche der Edirom Summer School. Das Gelernte konnte ich in der meine beiden Fächer Geschichte und Digital Humanities verbindenden Masterarbeit (betreut von Prof. Johannes Süßmann und Prof. Joachim Veit) in der Praxis erproben. Hierfür verwandelte ich den historischen Bibliothekskatalog der Paderborner Kapuziner von 1761 in eine digitale Quellenedition und Datenbank, die unter https://kapuziner1761.dennisfriedl.de abrufbar ist. Die Arbeit an meiner Masterarbeit vertiefte meinen Umgang mit mir bekannten Technologien im Umfeld digitaler Editionen und bot reichlich Gelegenheit, sich mit bisher unbekannten, wie dem Semantic Web und Datenbanken zu beschäftigen. Schon als Nicht-Mitglied profitierte ich während dieser Phase von der großen Hilfsbereitschaft und dem Know-How des ViFE, die sich u.a. durch die stetige Unterstützung von Daniel Röwenstrunk und Dennis Ried äußerten, die eXist-Datenbank unter meine Kontrolle zu bringen.
Dem Kontakt zum ViFE während meines Studiums ist es wohl auch zu verdanken, dass ich nach Studienabschluss im Kontext des ViFE in gleich zwei Projekten mitwirken kann. Eines davon ist die Errichtung einer Kontaktstelle Forschungsdatenmanagement an der Universität Paderborn zusammen mit Daniel Röwenstrunk. Mit einer Kontaktstelle möchten wir Forschenden eine zentrale Anlaufstelle für alle Aspekte des universitären Forschungsdatenmanagements bieten, an der sie Informationen und persönliche Beratungsmöglichkeiten vorfinden können. Ein Teil meiner Arbeit ist dabei die Einrichtung und Etablierung von verschiedenen Services in Paderborn, die das Managen von Forschungsdaten deutlich vereinfachen sollen. Eines dieser Services ist RDMO der Research Data Management Organiser, der Forschende beim Erstellen eines Datenmanagementplans begleitet und auf diese Weise sowohl bei der Antragstellung als auch beim projektinternen Festlegen der eigenen Datenstrategie hilfreich ist. Weitere Services, die wir momentan erproben, sind etwa das elektronische Laborbuch eLabFTW oder die Plattform Coscine, die das Speichern, Verlinken und Beschreiben von Daten an einer zentralen Stelle ermöglichen soll. Die Open-Source-Natur dieser Programme erlaubt es uns dabei, ihren Programmcode zu erweitern und sie so an die spezifischen Bedürfnisse der Forschenden in Paderborn anzupassen. Langfristig planen wir, diese unterschiedlichen Services in Paderborn sinnvoll zu vernetzen, so dass Daten zwischen ihnen ausgetauscht werden und Forschende sie noch einfacher in ihren Forschungsalltag integrieren können.
Daneben arbeite ich im Akademieprojekt der Korngold-Werkausgabe und bin da – zusammen mit Silke Reich – für die Umsetzung der digitalen Edition zuständig. Erich Wolfgang Korngold ist vor allem durch seine Arbeit an Filmmusik für Hollywood bekannt und so hat sich die Werkausgabe in ihrem Selbstverständnis das Ziel gesetzt, gerade im Bereich der Filmmusikedition digitale Pionierarbeit zu leisten. Sie soll nämlich multimedial, in engem Zusammenhang von Film und Musik ediert und präsentiert werden. Dieser Anspruch hat für die Arbeit an der digitalen Edition einen besonderen Reiz, denn er verpflichtet uns zwar, erlaubt es uns aber auch, grundlegend über Konzepte und ihre technische Umsetzung nachzudenken und verschiedene Ansätze zu erproben. Die Multimedialität der Edition fordert die sinnvolle Einbindung von audiovisuellen Daten in die Editionsumgebung Edirom-Online, welche hierfür von uns erweitert wird. Dabei hilft der Austausch mit anderen Edirom-Programmierern, wie Benjamin Bohl, Nikolaos Beer, Dennis Ried, Daniel Jettka, Hizkiel Alemayehu und Daniel Röwenstrunk. Momentan arbeite ich an einem Videoplayer für die Edirom, der Filmausschnitte synchron mit Musikpartitur darstellen, Annotationen auf audiovisueller Ebene ermöglichen und weitere sinnvolle Funktionen für das Edieren von Filmmusik (und AV-Daten im Allgemeinen) bieten soll. Auf einer grundlegenderen Ebene muss der Film aber zunächst mit seinem verschiedenen Manifestationen und Expressionen modelliert und in das ansonsten auf MEI beruhende Datenmodell eingefügt werden. Das FRBR-Modell und die Schemata METS/MODS und IIIF AV sind daher momentan auch ständige Begleiter unserer Arbeit.
Aus meiner Arbeit im Korngold-Projekt ist auch das Thema meiner Dissertation erwachsen, die ich in den Digital Humanities anstrebe. Die Korngold-Werkausgabe ist nämlich als sog. hybride Edition angelegt, d.h. sie besteht aus klassischen, gedruckten Editionsbänden als auch aus einer digitalen Edition. Ich möchte in diesem Umfeld Ansätze konzipieren und erproben, wie diese beiden Teile nicht nur einfach parallel nebeneinander existieren, sondern sich in möglichst unmittelbarer Weise ergänzen können. Wäre es für die Arbeit mit einem gedruckten Band etwa von Nutzen, wenn ein Leser innerhalb von Sekunden die Kamera seines Smartphones über einen Takt halten könnte und ihm ohne viel Aufwand der gleiche Ausschnitt aus einer historischen Handschrift angezeigt würde, so dass Editionsentscheidungen direkt verglichen und nachvollzogen werden könnten? Die regelmäßige Platzierung von QR-Codes in den Bänden soll zu einer schnellen Verbindung zwischen den Bänden und digitalen Erweiterungen führen, wobei sich die Funktionalität dieser Erweiterung über die Projektlaufzeit immer wieder ändern kann. Ich erhoffe mir, die gedruckten Bände – obwohl sie ja eigentlich ‘eingefroren sind’ – auf diese Weise mit den sowohl inhaltlichen als auch technischen Entwicklungen der Edition mitnehmen zu können. Das Zusammenspiel von gedruckten Büchern und digitaler Edition provoziert dabei weitläufigere Gedankengänge: Wie können generell verschiedene Medien und verschiedene Arten von Endgeräten in einer Edition aufeinander abgestimmt werden? Wie können die spezifischen Stärken der verschiedenen Medien und ihre Interaktion untereinander für editorische Zwecke genutzt werden? In diesen Zusammenhängen, denke ich über die Möglichkeiten von Smartphones, digitaler Bilderkennung und Augmented Reality nach, wobei die Korngold-Werkausgabe für mich ein praktisches Projekt darstellt, um diese Gedanken auch zu erproben.